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Interview Stefan Kügler

„Mit unseren Grundstücken haben wir eine Stellschraube in der Hand“

Baugrundstücke für Baugemeinschaften. Dresden hat seine Bodenpolitik neu ausgerichtet. Dazu das Interview mit Stefan Kügler vom Amt für Hochbau und Immobilienverwaltung, dort zuständig für die Grundstücksstrategie der Stadt.

Stefan Kügler vom Amt für Hochbau und Immobilienverwaltung der sächsischen Landeshauptstadt Dresden, Sachbereich Grundstücksstrategie. In seiner Hand liegen die Konzeptausschreibungen von Erbbaugrundstücken für Baugemeinschaften der Elbmetropole

Foto: privat

Dresden fährt in der Liegenschaftspolitik eine veränderte Strategie. Adressaten sind vermehrt auch Baugemeinschaften. Was hat die Stadt dazu veranlasst?

Alle Welt will bauen, raus aus der teuren Miete. Auf dem privaten Bietermarkt kommen mittlere Einkommensschichten beim Wohneigentumserwerb aber durch die steigenden Preise nicht mehr zum Zug. Wir können die Zinsen nicht beeinflussen und auch die Baupreise nicht, jedoch mit zielgerichteten preisgedämpften Grundstücksangeboten reagieren. Das ist unser Feld. Mit unseren Grundstücken, die wir für das beste Konzept und im Erbbaurecht vergeben, haben wir als Kommune eine Stellschraube. Es kommt dabei nicht mehr auf den höchsten Preis an, sondern auf die Umsetzung konkreter städtische Ziele durch die Baugruppen. Das Grundstück bleibt in unserem Eigentum, während die Baugemeinschaften den Kaufpreis dafür gerade in der finanziell angespannten Anfangsphase ins Haus stecken können. Es profitieren also beide Seiten.

Grundstücke für Baugemeinschaften in Zeiten, da Bauland in vielen prosperierenden Städten Mangelware ist. Inwieweit kann Dresden denn hier Angebote machen?

Wir haben zum Beispiel noch etliche Grundstücke, die mit Garagen bebaut sind. In der Regel in der Nähe von Wohnungen. Da versiegeln wir also nichts neu, sondern wandeln lediglich die Nutzung um. Und es gibt die Überlegung, dass wir die Grundstücke eventuell baureif machen, also die Garagen abreißen.

Warum ausgerechnet Garagengrundstücke?

Diese Garagengrundstücke sind oft zu klein, um darauf große Häuser im wirtschaftlich darstellbaren geförderten Geschosswohnungsbau zu bauen. Aber sie bieten noch Potenzial für den individuellen Wohnungsbau: das Einfamilienhaus, Doppelhaus und Reihenhaus. Es sind auch Grundstücke dabei – da kann man ein Dreifamilienhaus bauen, für uns die Untergrenze für eine Baugemeinschaft. Es geht aber auch hoch bis zehn Haushalte. In diesem Mittelfeld bewegen wir uns in Bezug auf Baugemeinschaften.

Es sind drei städtische Grundstücke, die Dresden in diesem Jahr für Baugemeinschaften ausschreibt. Drei Tropfen auf den heißen Stein‘ könnte man sagen?

Grundsätzlich, diese drei Grundstücke sind für uns ein Test: Findet die Vergabe in der beschriebenen Art und Weise Anklang? Wir könnten mehr. Aber da würden wir vielleicht ins Leere laufen. Und wir würden andersherum, wenn die Nachfrage anspringt, es mit unseren Kapazitäten vielleicht auch gar nicht schaffen, alles transparent und sachgerecht abzuwickeln.

Das klingt doch sehr nach dem viel zitierten und viel beklagten bürokratischen Aufwand.

Jede einzelne Vergabe muss durch die Stadtgremien. Sie müssen entscheiden, was mit dem öffentlichen Vermögen geschieht. Ein notwendiger Zeitaufwand, der im privaten Grundstücksverkehr nicht besteht. Deshalb fürs Erste „nur“ drei Grundstücke: etwas größer und etwas kleiner, urban im Kern der Stadt und ländlich am Rand. So dass wir auch da sehen: Was kommt an? Es war ein guter Weg, dass wir die Grundstücke noch vor der Ausschreibung auf einem Informationsabend präsentiert und die drei Bausteine – Konzeptvergabe, Erbbaurecht und Baugruppen – erklärt haben. Zugleich Gelegenheit, dass sich Baugruppen an Ort und Stelle finden, vernetzen, um später ein Angebot abzugeben. Auch das war im Grunde eine Art Test: Ist das gut? Ist das lohnend? Ist die Resonanz da?

Gut 20 Jahre zurück, da hätte man der Stadt die Erbbaugrundstücke vielleicht sogar ohne Vorabinformation aus der Hand gerissen. Das Erbbaurecht scheint der Vergessenheit anheimgefallen und muss also erst wieder aus der Versenkung geholt werden?

Aus meiner Sicht spielen hier mindestens zwei Dinge eine Rolle. Erstens: Der Grundstücksverkauf hat den Städten und Gemeinden erst einmal auch einen Haushaltsbeitrag verschafft. Das war auch in Dresden nicht anders.

Mit anderen Worten: Es ging beim Grundstücksverkauf zunächst um ‚schnelles Geld‘ für die knappen kommunalen Kassen?

Die Einnahmen kamen sofort und konnten sofort in den Aufbau der öffentlichen Infrastruktur reinvestiert werden. Was mit dem Erbbaurecht nicht gegeben war. Hier kommen die Gelder nur „tröpfchenweise“ zurück. Aber mittlerweile hat sich der politische Wind gedreht – gegen einen Grundstücksausverkauf, in Richtung Flächen behalten und damit Städtebau gestalten.

Zweitens konnte man sich in den zurückliegenden Jahren bekanntlich relativ günstig am privaten Markt versorgen. Es gab viele Angebote in den zahlreichen neu erschlossenen Einfamilienhausgebieten auf der grünen Wiese. Das klappt ja nun gerade nicht mehr. Insofern fügt sich vieles in Richtung Erbbaurecht.

Inwiefern gilt das dann auch für Baugemeinschaften, die speziell mit den städtischen Erbbaugrundstücken angesprochen werden sollen? Wer interessiert sich dafür? Stichwort: Infoabend.

Gut 30 Interessenten hatten wir dort. In erster Linie junge Familien, die nach günstigem Wohneigentum suchen. Aber auch Menschen in der Mitte des Lebens mit dem Wunsch nach Veränderungen und Gemeinschaft. Die Wohnung ist ihnen gerade zu groß geworden oder die Innenstadt nicht mehr das Richtige. Man will da raus, aber auch nicht vereinsamen in der zweiten Lebenshälfte. Und plötzlich ist man bei einer Baugemeinschaft mit am Start. Und das ist ja genau der Punkt. Was Baugemeinschaften betrifft, da ist noch Luft nach oben. Wir wollen das als Stadt auch fördern, weil wir eben über das eigentliche Wohnen hinaus Vorteile für die Stadtgesellschaft sehen.

Mit der Konzeptausschreibung setzt Dresden für die drei Baugrundstücke auch dahingehend inhaltliche Schwerpunkte. In welche Richtung geht es und mit welcher Strategie?

Wir machen unsere Ausschreibung, wie gesagt, grundsätzlich an städtischen übergeordneten Zielen fest, letztlich an der Frage: Wie lassen sich diese Ziele durch eine bestimmte Grundstücksgestaltung oder mithilfe eines Gebäudes umsetzen? Dafür haben wir mittlerweile einen Ideenpool mit Konzeptvorgaben entwickelt, aus dem wir das Passende herausgreifen. Natürlich nicht ohne uns das Grundstück und seine Umgebung vorher angesehen zu haben. Schlagworte sind zum Beispiel Klimaresilienz, Ökologie, Nachhaltigkeit, aber auch der soziokulturelle und nachbarschaftliche Aspekt, Harmonisierung der Baugemeinschaften mit den Stadtteilen.

Dazu kann man sich vieles vorstellen. Anhand der jetzt zu vergebenden Erbbaugrundstücke – wie fächern sich die Anforderungen da auf?

Eines der Grundstücke liegt in einem jetzt schon stark überwärmten, dicht bebauten Stadtteil. Ein alter Garagenhof. Die Natur hat sich das Gelände zurückerobert. Dort stehen stattliche Bäume. Hier geht es um die Abfederung der Klimaveränderung.

Welche praktikablen Mittel hätte die Baugemeinschaft denn in diesem Fall tatsächlich an der Hand?

Hier haben wir die Karte Baumerhalt und Regenwassernutzung gezogen bis hin zur Mauerwerksbegrünung. Wer das am besten umsetzt, bekommt den Zuschlag. In einem anderen Stadtteil ist uns das soziale Gefüge wichtig, das wir durch Sanierung erhalten konnten. In diesem Rahmen sind viele Initiativen entstanden. Die Anschubfinanzierung dafür ist jetzt ausgelaufen. Damit sie nicht wieder verschwinden, braucht es Raum für einen Nachbarschaftstreff. An der Stelle wäre die Baugemeinschaft gefragt. Und beim dritten Grundstück, da schauen wir im Vergleich dazu mal, wo es für eine Baugruppe mit acht Familien besser läuft: hier beim moderierten Modell oder beim Modell mit Bieterkonzept.

Zwei Modelle für Baugemeinschaften. Was macht den Unterschied?

Beim dritten Grundstück liegt das Baukonzept nach unseren Maßgaben zur Nachhaltigkeit schon vor: Holzmodulbauweise, PV-Anlage, Wärmepumpe etc. Und wir als Stadt wollen es von der Baugemeinschaft umgesetzt sehen. In diesem Fall läuft es also genau andersherum: Nicht die Gruppe findet und bewirbt sich dann mit einem Konzept. Sondern ein fertiges Konzept sucht Bewerber zum Mitmachen. Insofern hat man keine großen Wahlfreiheiten mehr, dann aber auch weniger Arbeit. Eingeschaltet ist die Städtische Sanierungsgesellschaft STESAD, die das Konzept entwickelt hat und den Prozess begleitend moderiert.

Wenn diese drei Baugemeinschaftsprojekte im Erbbaurecht gut anlaufen, kann man dann im kommenden Jahr mit einer Fortsetzung rechnen?

So ist der Plan. Wir wollen offensiv und verlässlich jedes Jahr immer wieder Erbbaugrundstücke nach diesem Verfahren anbieten. In den letzten zehn Jahren waren es insgesamt elf, da ist nicht allzu viel passiert. – Aber da haben wir nach altem Muster ausgeschrieben und auf Angebote gewartet. Doch das reicht bei Baugemeinschaften nicht aus, die sich mit vielen Rahmenbedingungen auseinandersetzen müssen. Wir wollen mehr tun mit Wissenstransfer und neuen Unterstützungsformen: Wie können wir das Bauen erleichtern, beispielsweise, in dem wir das Grundstück baufrei machen? – Wie können wir Konzeptkriterien finden, die gut leistbar sind wie etwa Lastenradverleih oder Ladestation für E-Bikes? So dass wir auch motivieren.

Sie haben viele verschiedene Aspekte genannt, die in Konzeptausschreibungen der Stadt Dresden einfließen. Gibt es vielleicht noch den ein oder anderen Punkt, den Sie für die Zukunft auf dem Zettel haben?

Aus Gesprächen mit verschiedenen Netzwerken von Baugemeinschaften wissen wir: Es besteht Interesse am Mehrgenerationenwohnen. Oder mit Bezug zur Inklusion, für Menschen mit einem besonderen Wohnbedarf. Da müssen wir uns noch schlauer machen, wie wir das gut packen können. So dass wir auch diejenigen erreichen, um die es uns wirklich geht. Bei größeren Baugrundstücken wollen wir in Zukunft auch testen, inwiefern man mit einer Projektgenossenschaft an den Start gehen könnte.

Nachhaltiges Bauen in Dresden nach von der Stadt vorgegebenem Konzept: Acht Baufamilien werden hier einmal ihr Zuhause haben, in den Wohnhöfen Nickerner Weg.
Visualisierung: STESAD Dresden GmbH

Kurz & knapp

Auf einer Fläche von ca. 150 Hektar hat die sächsische Landeshauptstadt Dresden bisher insgesamt 233 Erbbaurechte vergeben, davon 38 zu Wohnzwecken. Alle anderen betreffen im weitesten Sinne Gemeinwohlaufgaben, ein geringer Anteil Gewerbe.

Die Stadt schreibt im Sommer 2025 drei Erbbaugrundstücke für Baugemeinschaften im Konzeptverfahren aus. Kein Preiswettbewerb. Zuschlag für das beste Konzept.

Vergabe an klassische Baugemeinschaften und gemeinschaftlich genutzte Wohnprojekte mit mindestens drei Haushalten als Nutzer.

Eigennutzung zwingend mindestens zehn Jahre

gewerbliche Nutzung in untergeordnetem Umfang zulässig

Rechtsform frei wählbar als GbR, Genossenschaft, Wohneigentümergemeinschaft

Laufzeit Erbbaurecht: 60 Jahre

Erbbauzins: jährlich 2 bis 4 Prozent des Verkehrswertes

Förderung von Familien mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen durch Abschlag beim Erbbauzins