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Turbosanierung für ein Reihenendhaus in Köln

„Daumen hoch am Bau“

„Energetisch gesehen war das Objekt eine Katastrophe“, sagt Bauingenieur Lennart Feldmann aus Köln. Gemünzt ist diese Einschätzung auf ein Reihenendhaus aus den 60ern am Stadtrand in Köln-Dellbrück: Pilotprojekt seines Ingenieurbüros Indicamus im Rahmen des Sanierungssprints für kleine Häuser in Nordrhein-Westfalen. „Wir nennen solche Gebäude im Fachjargon Worst Performing Buildings.“ Eine Bezeichnung, die nach seinen Worten auf die EU zurückgeht. Sie hat unter dieser Überschrift zusammengefasst, was aus energetischer Sicht im jeweiligen Mitgliedsland die jeweils 25 Prozent schlechtesten Gebäude sind.

Bauingenieur und Sanierungscoach Lennart Feldmann: Geschäftsführer des 2019 gegründeten Ingenieurbüros Indicamus für Planung und Energieberatung mit Sitz in Köln und Wuppertal, das sich hauptsächlich mit der energetischen Gebäudesanierung beschäftigt. Mit seinem Team hat er ein Reihenhaus in Köln-Dellbrück im Sanierungssprint in rekordverdächtiger Zeit auf den neuesten energetischen Stand gebracht: angelehnt an das gleichnamige Konzept von Bauingenieur und Impulsgeber Ronald Meyer, mit dem er dabei auch im Austausch stand. Das Pilotprojekt ist eines von drei Gewinnern des Wettbewerbs „Sanierungssprint.NRW“ der NRW-Landesregierung.

Foto: AMF_INDICAMUS

So gut wie neu

Bezogen auf das Reihenhaus mit Baujahr 1965 bedeutete das: Dach und Fassade waren ungedämmt und von der Fassade bröckelte Putz. Teils war noch Einfachverglasung verbaut und die alte Ölheizung schlug mit bis zu 30.000 Kilowattstunden beziehungsweise jährlich rund 3000 Euro Heizkosten zu Buche. „Diese Kosten haben wir mit der neuen Wärmepumpe jetzt auf ca. 1000 Euro reduziert!“, so Bauingenieur Feldmann. Damit diese möglichst mit eigenem Strom funktioniert und effizient läuft, kam beidseitig eine PV-Anlage aufs Dach und eine Fußbodenheizung ins Haus. Eine dezentrale Lüftungsanlage sorgt dort außerdem dafür, dass die hereinströmende frische Luft durch die ausströmende verbrauchte Luft vorerwärmt wird. „Wärmerückgewinnung – ein weiteres Puzzlestück und eine schöne Sache im Hinblick auf Energieeffizienz“, kommentiert Feldmann.

So technisch ausgerüstet und mit der Dämmung der Gebäudehülle vom Keller bis zum Dach, mit neuen dreifach verglasten Isolierfenstern für Wärme- und Schallschutz und zu guter Letzt auch noch mit dem Austausch der Eingangstür wurde innerhalb weniger Wochen aus einem scheinbar hoffnungslos „veralteten Kasten“ ein Haus im Neubaustandard. „Denn wer heute in Deutschland neu bauen möchte, muss mindestens ein Effizienzhaus 55 bauen. Und das haben wir jetzt aus diesem Bestandsgebäude gemacht“, sagt Feldmann nicht ohne Stolz.

 

Kosten im Rahmen

Die Sanierungskosten von insgesamt 200.000 Euro lagen bei der Hälfte des Kaufpreises. Die energetische Sanierung schlug dabei mit 150.000 Euro für die Baufamilie zu Buche. Die Überlegung des jungen Paars Anfang der Dreißig nach intensiver Beratung mit dem begleitenden Ingenieurbüro, wobei auch verschiedene Sanierungs- und Kostenvarianten durchgespielt wurden: „Lieber jetzt einmal ordentlich Geld in die Hand nehmen und in ein klimaneutrales Gebäude investieren. Dafür ist dann hoffentlich die nächsten 30 bis 40 Jahre Ruhe.“

Was beiden die Entscheidung erleichterte: Von der 150.000-Euro-Kreditsumme brauchen sie unterm Strich 30 Prozent weniger zu tilgen. „Denn – und auch das ist das Schöne an dem Projekt – es handelt sich um ein Effizienzhaus 55 EE mit dem Einsatz erneuerbarer Energien bei der Heizung und der Nutzung von Abwärme. Das wird noch einmal besonders gefördert“, erläutert der Bauingenieur. Der Tilgungszuschuss von 45.000 Euro wird gutgeschrieben und verkürzt so die Laufzeit des zinsverbilligten KfW-Darlehens um knapp ein Drittel.

 

Stress in Grenzen

25 Arbeitstage waren für die energetische Sanierung eingeplant, 28 sind es geworden. Lieferengpässe, unter anderem bei den Fensterbänken, waren ein Grund. Und es musste doch noch neuer Estrich ins Bad, weil der alte, wie sich erst beim Hantieren herausstellte, nicht mehr tragfähig war. Kleinigkeiten also, die den Zeitplan nie ins Wanken brachten und auch finanziell kaum ins Gewicht fielen. Das sei ja oft die Befürchtung, wenn eine Sanierung ins Haus steht: Die Kosten könnten durch eine Dauerbaustelle aus dem Ruder laufen. „Diese Sorge konnten wir der Baufamilie durch die Planung nehmen“, erklärt Feldmann. Angetan war das Paar nach seinen Worten insbesondere davon, dass durch den beschleunigten Bauprozess die sonst übliche, relativ lange Doppelbelastung entfiel: durch die Miete, die bis dahin noch in der Kölner Innenstadt gezahlt wurde, und den gleichzeitig laufenden Kredit für das neue Haus. Und auch der Stress, den selbst die bestorganisierte Sanierungsbaustelle für eine Baufamilie mit sich bringt, hielt sich folglich auch in zeitlichen Grenzen.

 

Handwerker im Härtetest

Der Aufwand für die Planung und Logistik sei natürlich höher gewesen. „Aber wir reden hier von einem Pilotprojekt“, betont Feldmann. Knapp vier Monate waren demnach nötig, um die Handwerker aus sieben Gewerken anzusprechen und so zu koordinieren, wie es angedacht war: Dachdecker, Maler und Stuckateur, Fensterbauer, Elektriker, Trockenbauer sowie die Installateure für Solaranlage und Wärmepumpe. „Eine zusammengewürfelte Truppe und insofern ein echter Härtetest: Trägt die Koordination tatsächlich so weit, dass daraus in kürzester Zeit ein Bauteam wird?“ Der Beweis ist erbracht und lässt für die Zukunft hoffen.

Es gibt erste Anfragen von Einfamilienhausbesitzern zum Sanierungssprint an das Ingenieurbüro und demnächst ein Nachbarschaftsfest. Dort wird das in hohem Tempo energetisch sanierte Haus präsentiert. „Gut möglich, dass dann weitere Reihenhausbesitzer einen Sanierungssprint möchten“, sagt Feldmann. „Da kann es auch gut sein, dass wir hier natürlich auf das inzwischen erfahrene Handwerkerteam setzen.“ Jetzt eine eingespielte Truppe, die nach seiner Einschätzung wahrscheinlich auch auf anderen Baustellen zusammenarbeiten wird.

 

Stimmiges Umfeld

Denn das haben die Handwerker Feldmann zufolge aus dem Sanierungssprint mitgenommen: Es läuft so auch für sie besser. Was von ihrer Seite mehrfach zu hören war: Man schafft mehr Baustellen, weil die Koordination klappt. Als Dachdecker kann man sich auf seinen Job konzentrieren, statt anderen Gewerken wegen Kleinigkeiten hinterherzutelefonieren. „Und wenn man den Bauleuten das Umfeld gibt, ihren Job möglichst effizient und produktiv zu machen, gewinnt man natürlich Fans für solche Projekte“, resümiert Feldmann.

Das Umfeld, das waren zum Beispiel die Auftaktveranstaltung zum Kennenlernen, der morgendliche Kaffee in großer Runde, die gemeinsame Mittagspizza und natürlich der Sanierungscoach vom Ingenieurbüro als täglicher Ansprechpartner auf der Baustelle. „Dadurch sind die Leute miteinander ins Gespräch gekommen.“ Und über die eigens gegründete Whatsapp-Gruppe war man dann bei Problemen auch per Foto schnell im Bilde und Austausch: Da hängt noch ein Kabel aus der Wand. Darf das Rohr trotzdem schon dort langgezogen werden? „Solche Abstimmungsgeschichten zwischen Installateur und Elektriker werden innerhalb von zwei Minuten mit einem ‚Daumen hoch‘ geklärt, während man sonst vielleicht einen halben Tag Stillstand auf der Baustelle hätte“, vergleicht Feldmann. „Denn die Kontaktdaten der anderen Handwerker hat man normalerweise nicht.“

Vorher/nachher: Energetisch schlechter ging es kaum noch – ohne Dämmung und mit Ölheizung. Jetzt präsentiert sich dieses Reihenendhaus aus den 60ern in Köln-Dellbrück energetisch saniert, im Neubaustandard. Die Bauarbeiten dauerten hier im „Sanierungssprint“ insgesamt 28 Arbeitstage. Einzug war kurz darauf, nachdem die Bewohner beim Malern und Tapezieren selbst Hand angelegt hatten.
Fotos: INDICAMUS
Fotos: AMF_INDICAMUS