Werden auf dem Land viel zu viele Eigenheime gebaut? Behauptet wird das häufiger. Aber stimmt das auch? Dieser Frage ist das empirica-Institut Berlin im Auftrag des Verbands der Privaten Bausparkassen nachgegangen. Das Ergebnis: Deutschlandweit fehlen rund 300.000 Eigenheime. Zwar gibt es Schrumpfungsregionen, in denen die Fertigstellungen den quantitativen Bedarf rechnerisch übersteigen. Die Summe dieses „Überhangs“ ist allerdings gering. Zudem muss dabei die qualitative Zusatznachfrage berücksichtigt werden. Angeblich zu viel gebaute Eigenheime erfüllen Wohnwünsche und stehen nicht leer. Neubau in ländlichen Regionen ist zudem vielfach auch ein Mosaikstein zur Überwindung der Knappheit in Ballungsräumen.
Laut empirica-Institut liegt der jährliche Neubaubedarf an Eigenheimen bei rund 151.000 Einheiten. Zu einer ähnlichen Größenordnung kommt das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Gemessen daran fiel die tatsächliche Neubautätigkeit seit 2012 mit durchschnittlich rund 104.000 Einheiten bundesweit viel zu gering aus. Seit 2012 summiert sich die Neubaulücke damit auf rund 300.000 Eigenheime. „Die Eigenheimnachfrage übersteigt das Neubauangebot bei weitem“, so Instituts-Vorstand Dr. Reiner Braun. Für Bausparkassen-Verbandschef Bernd Hertweck ist dies die wesentliche Botschaft der Untersuchung. „Die Diskussion über das Bauen in Schrumpfungsregionen sollte nicht den Blick darauf verstellen, was wirklich politisch nottut: Wir brauchen dringend mehr Neubau.“
Das empirica-Institut beziffert die Zahl der in Schrumpfungsregionen rein rechnerisch „zu viel“ gebauten Eigenheime auf weniger als 5.000 Einheiten. Dies entspricht etwa 4 Prozent aller Neubauten. „Für diesen `Überhang` gibt es allerdings gute Gründe: nämlich fehlende Qualitäten im Bestand“, erläuterte Braun. Hertweck ergänzt: „Wird die qualitative Zusatznachfrage berücksichtigt, muss man sich fragen, warum die Diskussion nicht schon längst ad acta gelegt wurde?“ Und „Wollen wir Deutschland morgen in Orte einteilen, in denen richtigerweise gebaut werden darf, und solche, in denen der Bau unterbleiben sollte?“ Auch in ländlichen Regionen gebe es oft noch echte Knappheiten im Bestand. Aber selbst da, wo dies nicht zutreffe, könne Neubau erforderlich sein.
Um mehr darüber zu erfahren, warum neu gebaut statt alt gekauft wurde, führte das Forschungsinstitut neben Expertengesprächen so genannte „Zaungespräche“ mit Bewohnern neuer Eigenheime in den Landkreisen Kusel, Höxter und Harz durch. Diese drei Landkreise wurden in einem mehrstufigen Verfahren ausgewählt, weil hier das Phänomen „Neubau plus Leerstand“ bei Eigenheimen am stärksten auftritt.
Dabei zeigte sich: Oft sprechen zahlreiche rationale Gründe gegen den Kauf leerstehender Eigenheime.
- Leerstände in „abgehängten“ Ortsteilen sind mit Kernlagen nicht konkurrenzfähig: „Es gibt keine Kita mehr, keine Grundschule, und die Nachbarn sind alle schon alt. Ich hätte unsere Familie dort nicht organisieren können.“
- Auch Besonderheiten historischer Kerne machen es manchen Kaufwilligen schwer: „Wir wollten ein großes Haus, aber ohne Stufen. Die alten Villen waren toll, aber alle auf mehrere Etagen.“
- Oft stimmte das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht: „Wir haben mehr als ein Jahr gesucht, darunter waren auch viele leere Häuser; aber unter dem Strich war ein neues Haus nie viel teurer.“
- Abschreckend wirkten vielfach auch Aufwand und Unwägbarkeiten bei einer Sanierung: „Man weiß nie, was auf einen noch zukommt.“
Je nach Region hätte aber ein Teil der befragten Baufamilien bei geeigneter Unterstützung durchaus auch den Kauf einer leerstehenden Bestandsimmobilie in Erwägung gezogen. Hertweck: „Städtische Programme wie `Jung kauft Alt`, die zum Beispiel ein Altbaugutachten finanzieren, das für mehr Sicherheit beim Erwerb sorgt, sollten deshalb Schule machen; nicht aus Angst vor Fehlinvestitionen, sondern um alte Stadtkerne lebenswert zu halten.“ Nicht immer müsse auf der „grünen Wiese“ gebaut werden.
„Für die Schrumpfungsregionen selbst ist der Neubau oft auch besser als der Wegzug“, argumentiert Studienautor Braun. Kostengünstige Leerstände stießen im Zeitverlauf bei weniger Zahlungskräftigen vermehrt auf Akzeptanz. „Neue Käuferschichten finden so den Weg aus Mietwohnungen ins gewünschte Eigenheim.“ In der Regel handele es sich um Familien mit geringeren Einkommen, aber handwerklichen Fähigkeiten.
Selbst in den untersuchten Landkreisen bewege sich der Leerstand in Eigenheimen mittlerweile auf einem überschaubaren Niveau – anders als die Leerstandszahlen des Zensus im Jahr 2011 dies hätten erwarten lassen. Jede junge Familie, die dortbleibe, entlaste zudem die überforderten Märkte in den Knappheitsstädten.
Die Studie findet sich unter www.bausparkassen.de/daten-fakten/studien/.